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Heft 2: Krisen ist erschienen

2023-06-23

Spiele unterhalten eine enge strukturelle Beziehung zur Krise. Denn wie Krisensituatioen sind auch Spielsituationen– folgt man etwa der Definition Roger Caillois‘ (1986) – durch ihren ungewissen Ausgang charakterisiert. In der spielerischen Praxis gilt es, den durch das Spiel aufgespannten Möglichkeitsraum auf einen gewünschten Endzustand, häufig den des Gewinnens, zu verengen. Aus dieser Perspektive stellt sich Spielen als eine Form fortlaufenden Krisenmanagements dar, in die sich jene entscheidungs- und zeitkritischen Zuspitzungen einschreiben, die die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes Krisis ausmachen.

Dabei ist gegenwärtig die alltägliche Erfahrung, dass Krisen kaum noch punktuelle Zuspitzungen sind, sondern eher ausgedehnte Zustände, ohne dass sie weniger problematisch geworden wären. Diese neue Form der Krise als Dauerzustand findet ihre Entsprechung in Spielen, die durch Fortsetzungen und Erweiterungen immer größer werden, in offenen Spielwelten, die als fortlaufender Service angeboten werden statt als abgeschlossenes Werk; und die nicht zuletzt ihrer Eigenlogik entsprechende technologische, ökonomische, ökologische und identitäre Krisen hervorbringen. Spiele werden so zu Medien, die Krisen erfahrbar machen und gleichzeitig spezifische Seinsweisen der Krise ausprägen, mithin eine genuin ludische Krisenepistemologie produzieren.